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Auf der Schwelle zum Dritten Weltkrieg?


Am Dienstag, dem 11. September 2001, geschah im New Yorker Stadtteil Manhattan ein unfaßbarer Terroranschlag: Selbstmord-Attentäter flogen mit zwei gekaperten Passagierflugzeugen in die Türme des World Trade Centers (Welthandelszentrum), brachten damit die beiden über 400 Meter hohen Türme des Gebäudes zum Einsturz, verwandelten Manhattan in eine Schuttwüste und töten eine vermutlich fünfstellige Anzahl Menschen. Parallel dazu fand ein ähnliches Attentat mit mehren hundert Toten auf das Pentagon (Verteidigungsministerium der USA) statt.

Diese Anschläge gehen weit über das Maß hinaus, das man bislang als Terrorismus kannte, und sind deshalb als kriegerischer Akt zu werten. Die dem Attentat zum Opfer gefallenen Menschen und deren Angehörige verdienen unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme.

Doch neben diesen unmittelbar Betroffenen gibt es eine weitere Bevölkerungsgruppe, die nun weltweit von den Folgen betroffen ist: Die in den Staaten der westlichen Welt lebenden Menschen muslimischen Glaubens. Während die Medien noch behaupten, die ganze USA, ja die ganze westliche Welt, stünde in dieser Stunde des Schreckens eng zusammen, keimt in Wirklichkeit in der westlichen Welt und besonders in den USA eine Saat rassistisch motivierter Gewalt: Aufgebrachte Menschenmassen versuchen, Moscheen in Brand zu stecken, Jugendliche greifen muslimische Mitschüler an, im Internet greifen Hacker alle Webserver an, die in irgendeinem Zusammenhang mit dem nahen Osten oder dem muslimischen Glauben stehen.

Dabei haben in New York lebende Muslime genauso unter dem Anschlag gelitten wie ihre Mitmenschen anderer Glaubensrichtungen. Auch sie haben Angehörige im World Trade Center oder unter den Trümmern in Manhattan verloren, können froh sein, daß sie selbst mit dem Leben davon gekommen sind. Und nun werden sie von ihren Mitmenschen, mit denen sie eigentlich gemeinsam trauern sollten, angegriffen und müssen um ihr Leben fürchten.

Aus diesem Grund glaube ich, daß unserer Solidarität in den nächsten Tagen und Wochen vor allem den überall auf der Welt friedlich in unserer Mitte lebenden Muslimen gelten sollte. Der muslimische Glauben achtet das Leben und die Freiheit der Menschen genauso wie der christliche Glaube. Beinahe jeder Glaube wird von radikalen Fundamentalisten für ihre Zwecke instrumentalisiert. So gibt es auch radikale Christen, die nicht müde werden, immer wieder darauf zu beharren, daß es Juden gewesen seien, die für die Kreuzigung von Jesus Christus verantwortlich seien. Doch kein vernünftiger Mensch würde daraus den Schluß ziehen, daß alle Christen Antisemiten wären. Ebensowenig darf man aus den schrecklichen Taten radikaler Muslime den Schluß ziehen, daß alle Muslime sich gegen die moderne Zivilisation stellen, und deswegen alle Muslime pauschal verurteilen.

Nicht nur aufgebrachte Bürger, auch die Politik misst mit zweierlei Maß: Die politischen Zustände, die Gewalttaten der Taliban-Regierung in Afghanistan sind der Weltöffentlichkeit bekannt. Und eigentlich sollte jeder, der aus diesem Land flieht, der der Schreckensherrschaft der Taliban entkommen konnte, auf unsere Aufnahme und unsere Unterstützung vertrauen können. Doch tatsächlich ist das Taliban-Regime von den meisten Staaten der Erde nicht als offizielle Regierung anerkannt. Und somit gelten nach Logik der Bürokraten die Gewalttaten der Taliban nicht als politische Verfolgung. Flüchtlinge aus Afghanistan erhalten in der Bundesrepublik Deutschland kein politisches Asyl, sondern werden in Abschiebehaft genommen und bei nächster Gelegenheit in den nahen Osten zurückgeflogen. Flüchtlinge, die per Schiff aus Afghanistan fliehen konnten, will weder Australien noch Neuseeland bei sich aufnehmen. Statt dessen müssen die Menschen heimatlos auf den Weltmeeren umherirren.

Doch nun, wo Präsident George W. Bush ein Ziel für einen Vergeltungsschlag sucht, werden die Taliban plötzlich wie eine anerkannte Regierung betrachtet. Nun gilt Afghanistan als Land, in dem staatliche Stellen dem Radikalenführer Osama Bin Laden Unterschlupf gewähren.

Ohnehin entspricht ein Vergeltungsschlag wohl kaum dem Gebaren eines Rechtsstaats. In allen westlichen Demokratien gilt das Prinzip, daß ein Verdächtiger so lange als unschuldig zu gelten hat, bis seine Tat von einem ordentlichen Gericht festgestellt wurde. Und ohne das Urteil eines ordentlichen Gerichts darf niemandem irgendeine Bestrafung angetan werden. Grundsätzlich sind keine Kollektivstrafen gegen Bevölkerungsgruppen oder Familienangehörige von Tätern zulässig. Auch für den Fall eines Krieges schreiben die Genfer Konventionen klar vor, daß alle Personen, die nicht den bewaffneten Truppen angehören, als Zivilbevölkerung anzusehen und grundsätzlich zu schützen sind. Jeglicher Angriff auf sie ist verboten.

Als aufrechte Demokraten und Verteidiger einer die Menschenrechte achtenden Weltordnung dürfen wir es nicht zulassen, daß durch den schrecklichen Angriff auf die USA die Grundpfeiler der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt werden. Eine Gesellschaftsordnung, die die Freiheit des Einzelnen verteidigt, die auf Gewaltenteilung und rechtsstaatlichen Prinzipien aufbaut, ist eine Errungenschaft, die wir auf jeden Fall schützen müssen. Auch die schrecklichsten Taten dürfen nicht dazu führen, daß wir diese Errungenschaft aus Spiel setzen.

Wenn die USA dennoch nach der Vorgabe "Auge und Auge, Zahn um Zahn" einen Vergeltungsschlag gegen Afghanistan führen und damit den Tod unzähliger dort lebender Zivilisten in Kauf nehmen, dies als Racheakt für die in New York umgekommenen Zivilisten sogar beabsichtigen, dann gilt natürlich entsprechend "Trauer um Trauer, Mitgefühl um Mitgefühl": Genauso, wie wir um die unschuldigen Opfer der Attentate in den USA trauern, wie wir unser Mitgefühl für die unter den Trümmern von Manhattan verschütteten Zivilisten artikulieren, so müssen wir natürlich im Falle eines amerikanischen Racheakts auch um die in Afghanistan oder anderswo sterbenden Zivilisten trauern. Ein Menschenleben ist überall auf der Welt gleichermaßen wertvoll! Die Tötung tausender Unschuldiger als Blutrache für den schrecklichen Angriff ist genauso verabscheuenswürdig wie der Angriff selbst!

Würde es der amerikanische Prädident George W. Bush tatsächlich ernst meinen damit, alle Unterstützer der Täter zur Rechenschaft zu ziehen, so müsste er eigentlich erst einmal im eigenen Haus anfangen: Denn die USA selbst waren es, die dem Radikalenführer Osama Bin Laden zu Macht und Waffen verholfen haben. Im Konflikt zwischen der Sowjetunion und Afghanistan war es politisches Kalkül der Amerikaner, die afghanischen Fundamentalisten mit Waffen zu unterstützen, um den Klassenfeind Sowjetunion zu schwächen.

Und genau dies zeigt die Krux der amerikanischen Nahost-Politik: Die USA engagieren sich immer wieder mal im nahen Osten, doch stets nur so weit, wie amerikanische Wirtschaftsinteressen oder das Ansehen der USA betroffen sind. Die USA sind jedoch offensichtlich gar nicht daran interessiert, dauerhaften Frieden in der Region zu schaffen.

Im Krieg um Kuwait haben die USA es geschafft, Kuwait aus der irakischen Besetzung zu befreien und die Erdölquellen wieder sprudeln zu lassen. Der irakische Diktator Saddam Hussein ist danach für die USA wieder uninteressant geworden, er sitzt nach wie vor fest an der Staatsspitze Iraks. Denn dort verhindert er ein unabhängiges Kurdistan, was die diplomatischen und damit die wirtschaftlichen Beziehungen der USA zur Türkei, dessen Regierung einen zentralistisch geführten Staat beibehalten will, belasten würde. Zur Zeit des Konflikt zwischen der Sowjetunion und Afghanistan haben die USA (namentlich die CIA) mit ihrem Engagement ganz bewußt keinen Frieden schaffen wollen, sondern den Krieg durch Waffenlieferung an afghanische Fundamentalisten unterstützt. Nachdem die Russen schließlich aus Afghanistan abgezogen waren, haben die Amerikaner die Fundamentalisten wieder fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel - und sich auch ansonsten nicht weiter mit den Folgen ihres Engagements in der Region befasst.

Schon damals musste die Zivilbevölkerung in Afghanistan das politischen Kalkül der USA mit dem Verlust von Leben und Gesundheit bezahlen. Nachdem die USA die Fundamentalisten in Afghanistan mit Geld und Waffen hochgepäppelt hat, muß die Zivilbevölkerung heute unter den politischen Repressalien der Gotteskrieger der Taliban leiden. Und nachdem diese sich in ihrem religiösen Wahn nun gegen ihren einstigen Förderer, die USA, richten, muß vielleicht demnächst die afghanische Zivilbevölkerung erneut mit ihrem Blut bezahlen. Welch ein Irrsinn!






Todeszahlen - tagtägliche Begleiter

Die deutlich mehr als 5.000 Opfer der Terroranschläge in den USA haben Toten wieder ein Gesicht gegeben. Sie mahnen, daß wir uns mit Toten nicht abfinden dürfen, sondern uns weltweit für ein friedliche und demokratische Gesellschafts- und Wirtschaftordnung engagieren müssen, die die Freiheit und das Leben des Einzelnen achtet.

Zu viele Menschen sterben jeden Tag auf dieser Welt, ohne daß wir sie beachten:

  • 24.000 Menschen sterben täglich weltweit an Hunger und Unterernährung.
  • 6.500 Menschen sterben täglich im Kontinent Afrika an der Immunschwäche AIDS, d.h. an durch den Virus HIV verursachten Krankheiten
  • 120 Menschen sterben täglich im Gebiet der Europäischen Union bei Unfällen im Straßenverkehr.
  • 13 Menschen sterben täglich an den Spätfolgen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki.


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